Min Li Marti (SP, ZH) und Jörg Mäder (GLP, ZH) sind im Nationalrat und beschäftigen sich mit digitalen Themen. Wir sprechen darüber, wie Menschen in der Schweiz auf die Schweizer Politik Einfluss nehmen können, wo sie selbst im Umgang mit neuen Technologien vorsichtig sind und warum es mehr Visionen für die Zukunft braucht.

 

Die Digitale Gesellschaft setzt die neuen Episoden jeweils in Kontext mit digitalen Entwicklungen in der Schweizer Politik. Artikel zu jeder neuen Episode kannst du hier lesen: www.digitale-gesellschaft.ch/tag/deep-technology-podcast

Die Newsplattform Nau.ch bereitet die Episoden als Artikel auf. Diese kannst du hier lesen: www.nau.ch/lifestyle/deep-technology-podcast

Kernaussagen dieser Episode

  • Generelle Aussagen wie, “die Politik muss etwas machen, um Technologie zu regulieren”, helfen uns leider wenig. Das muss viel konkreter sein. (Min Li Marti)
  • Massenmails von Petitionswebseiten bringen wenig, da wir darauf nicht reagieren können. Individuell gestaltete Anfragen beantworten wir wenn möglich. (Jörg Mäder)
  • Man kann nicht mit jeder Angst aus dem Volk rational umgehen, meistens wollen die Leute auch keine rationale Antwort. Manchmal möchten die Leute auch, wenn die Politiker ausdrücken, dass sie ihre Meinungen Ernst nehmen. (Min Li Marti)
  • Oft kommt es mir vor, dass die Leute einigen Themen auch zu wenig Ernst nehmen, beispielsweise Datenschutz, da sind viele ziemlich sorglos unterwegs, kommt es mir vor. (Min Li Marti)
  • Im Viktorianischen Zeitalter, als man beispielsweise die Radioaktivität entdeckt hat, waren radioaktive Stoffe sogar in der Zahnpasta drin und wurden als Allheilmittel angepriesen. Heute lachen wir darüber, und in zwei bis drei Generationen wird man vielleicht über uns lachen, wie wir mit Daten, Fake News, Sozialen Medien und Deep Fakes umgingen. (Jörg Mäder)
  • Mit neuen Technologien laufen wir naiv in diese Wand und jenen Baum. Wir sind voll in einem Wandel drin, wohin der führt weiss ich auch nicht genau, und die Politik ist generell einen halben Schritt hintendrein. (Jörg Mäder)
  • Ganz vermeiden kann man nicht, dass wir Fehler machen, da viele Technologien einfach so neu sind und die Folgen noch unklar sind. Die Frage ist, muss man 15 Mal dieselben Fehler machen oder nur ein bis zwei Mal? (Min Li Marti)
  • Die Politik ist langsam, und der Fortschritt schnell. Doch gerade in einer direkten Demokratie ist ja eigentlich jeder Teil des politischen Prozesses. (Min Li Marti)
  • Die digitale Kompetenz des Parlaments ist in den vergangenen Jahren sehr gestiegen. (Min Li Marti)
  • In China formt nicht die Gesellschaft die Politik, sondern die die Politik formt die Gesellschaft. Das ist das genaue Gegenteil von unserem politischen System. Deswegen setzt man in China auch neue Technologien viel aggressiver ein, wenn sie ihren Zielen dienen. (Jörg Mäder)
  • Besonders wichtig finde ich, dass man sich mehr überlegt, in welche Medien man noch Vertrauen hat. Mit Deep Fakes und einer Propagandamaschine, in der künstliche Intelligenz den Menschen Bestätigung gibt, landen wir da in einer Realität, in der auch andere Meinungen noch Platz haben? Wenn das zu extrem wird, gibt das keine stabile Gesellschaft. (Jörg Mäder)
  • Der Sinn von Technologie ist doch, die Gesellschaft besser zu machen, und nicht, die Gesellschaft zu adaptieren, sodass sie der Technologie dient. Da braucht es eine Balance. Nicht jeder Fortschritt ist alternativlos. Müssen wir wirklich künstliche Intelligenz beispielsweise im Bereich Polizei und Justiz anwenden, nur weil es die anderen auch machen? (Min Li Marti)
  • Im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität und des Terrorismus haben wir viele Grundrechte aufgegeben, ohne genau zu wissen, wieviel es real bringt. Mit elektronischen Mitteln gibt man da noch mehr Preis, das macht mir manchmal etwas Sorgen. (Min Li Marti)
  • Präventive Polizeiarbeit macht mit Software Vorhersagen über die Rückfallgefahr von Straftätern. Diese Programme sind nicht diskriminierungsfrei, und das kann problematisch sein. (Min Li Marti)
  • Ein Problem der künstlichen Intelligenz ist, dass sie das verstärkt, was wir ihr füttern. KI hat keinen gesunden Menschenverstand. (Jörg Mäder)
  • Der Einfluss der Tech-Industrie auf Schweizer Politiker hält sich noch in Grenzen. Sie wollen vor allem ungestört ihrem Businessmodel nachgehen und Geld verdienen. Ihre wichtigste Währung ist Gewinn. Aber in China oder Amerika geht es nicht mehr nur um Geld, sondern um Einfluss und Meinungsbildung, also indirekte Ziele. Viele Branchen werden instrumentalisiert, das finde ich problematisch. (Jörg Mäder)
  • Das Internet der Dinge war lange in einer Bastlerecke, doch jetzt wird es langsam kommerziell. Wann wird das instrumentalisiert werden? Wenn die Gesellschaft von einer Branche geknetet wird, dann stört mich das. (Jörg Mäder)
  • Die digitale Wirtschaft in der Schweiz hat schon einen Einfluss auf die Politik. Man hat manchmal den Eindruck, dass sie in der Verwaltung bestellen, was sie wollen. Das ist aber auch in der Landwirtschaft und anderen Branchen so, das gehört halt in der Politik dazu. (Min Li Marti)
  • Die Tech-Branche hat viel weniger Einfluss auf die Schweizer Politik als beispielsweise die Gesundheitsbranche. (Jörg Mäder)
  • Mit neuen digitalen Technologien ist noch viel Experimentieren möglich, weil die Leute noch nicht genau wissen, was sie wollen. Das muss man noch mehr diskutieren, denn die Gesellschaft sollte die Politik formen und nicht umgekehrt. (Jörg Mäder)
  • Der Austausch zwischen Gesellschaft und Politik funktioniert so halb. Die Digitalisierungsdialoge sind noch sehr elitär. Es sind die immergleichen Leute, die relativ viel wissen und schon mit Tech arbeiten. Der Zugang dazu ist schwierig, da gibt es eine Schwelle. Der Dialog sollte mit Leuten geführt werden, die auch nicht aus der Tech-Community kommen. (Min Li Marti)
  • Widerstand gegen neuen Technologien, wie beispielsweise 5G, ist häufig auch ein Ausdruck von Unzufriedenheit von vielen, weil sie sich abgehängt und nicht Ernst genommen fühlen. (Min Li Marti)
  • Ein digitaler Graben exisitiert in der Gesellschaft und auch in den Fraktionen und Parteien. Es ist oft auch ein Genderproblem. Solange das noch so bleibt, kann man leider keine breite Diskussion über neue Technologien führen. In anderen Themen haben ja auch alle das Gefühl sie können mitreden, beispielsweise beim Thema “der Wolf” oder “Burka”. Das muss bei Technologie auch so sein. (Min Li Marti)
  • In der Politik kann man oft schlecht voraussehen, was in der Zukunft kommt. Es wäre besser, wenn wir im Vornherein mehr Technologiefolgenabschätzung machen könnte, doch wir haben leider auch zu wenig Ressourcen und Personal dafür. (Min Li Marti)
  • Wir haben relativ wenig Ressourcen für Technologieexperten, um Vernehmlassungen zu Technologiethemen zu schreiben. Die, die viel wissen, sind nicht unabhängig, und die die unabhängig wären, wissen zu wenig. Das ist das Expertenproblem. (Jörg Mäder)
  • Es kann nicht so weitergehen, wir wollen die Digitalisierung aber auch nicht rückgängig machen. Am meisten Angst habe ich vor Propaganda und Deep Fakes, da wird die Bevölkerung merken, dass da was gemacht werden muss. Wir werden lernen, mit der Technologie umzugehen, so wie wir das auch in der Vergangenheit mit Innovationen getan haben. (Jörg Mäder)
  • Wenn wir weiterhin nur Trial und Error machen mit neuen Technologien, dass wird es viele blutige Nasen geben. Wir müssen auch mit digitalen Technologien herausfinden, welche Produkteklassen gefährlich sind. (Jörg Mäder)
  • Die Leute wollen anfangen, sich eine Meinung zu bilden zu neuen Technologien. Die Leute wollen einen digitalen Impfpass, aber nur weil “digitaler Impfpass” draufsteht, heisst das noch nicht, dass es richtig gemacht ist. (Jörg Mäder)
  • Ich schwanke etwas zwischen Doomsday und “Es kommt schon gut”. Interessant fände ich, wenn wir mehr Vorstellungen hätten von der Zukunft, die wir wollen. Mit dem Grundeinkommen haben wir das ein bisschen, doch das ist auch eher negativ geprägt. (Min Li Marti)
  • In der Schweiz ist der Einfluss der Bevölkerung auf die Gesetzgebung wohl einiges besser als in anderen Staaten. Wir sind weltweit in der Spitzengruppe. (Jörg Mäder)
  • Wir alle befinden uns in einer Bubble, und viele Leute meinen, ihre Bubble sei repräsentativ für die Bevölkerung. Man merkt es oft gar nicht. Jeder der den Eindruck hat, die anderen werden nur einseitig informiert und er selber hat die ausgewogene Information, ist oft auch in einer Bubble. (Jörg Mäder)
  • Ich wünsche mir, dass wir auch weiterhin Technologie nutzen um die Lebensgrundlage für uns sicher können. Persönlich bin ich eigentlich zufrieden im Moment. (Min Li Marti)
  • Wenn wir weiterhin mit 8 Milliarden auf der Welt leben wollen, brauchen wir digitale Technologie, um zu optimieren. Auch bei Medikamentenforschung liegt noch einiges drin. Zudem hoffe ich auch, dass ein Roboter gefährliche und schädliche Berufe übernehmen kann. (Jörg Mäder)
  • Ich würde mich freuen, wenn es automatische Übersetzungsprogramme gibt und man mit jedem Menschen in der Welt reden könnte, oder man kann einfach eine ausländische Serie sehen und die live Übersetzen lassen kann ohne Untertitel, das fände ich spektakulär. (Jörg Mäder)