Martin Jucker ist Bauer auf der Juckerfarm. Wir sprechen darüber, wie Digitalisierung und Automatisierung in der Landwirtschaft ankommt, welche Rolle Daten und künstliche Intelligenz spielen, wie er Social Media einsetzt, Live-Streams in den Stall, und was er sich für eine nachhaltige Zukunft wünscht.
 

Kernaussagen

  • Die Wissenschaft versteht erst etwa füngzig bis siebzig Prozent von dem, was über dem Boden passiert und knapp zehn Prozent von dem, was im Boden passiert. Künstliche Intelligenz, Daten, Machine Learning, das ist sehr nützlich für die Landwirtschaft, doch wir benutzen es noch viel zu wenig.
  • Daten in der Landwirtschaft, das ist ein riesiges brachliegendes Potenzial. Wir haben noch immer eine zu kurze Datenhistory, es ist nie ein Ankommen, wir sind ständig am Optimieren.
  • Die meisten Leute kaufen nur dort ein, wo es am billigsten ist. Mit unseren Löhnen in der Schweiz können wir eigentlich keine günstigen Nahrungsmittel produzieren ohne neue Technologien.
  • Unser Hof ist schon ziemlich digitalisiert, zum Beispiel für die Vorhersage von Besuchern und in der Vermarktung, sodass wir Food Waste vermindern können. Es braucht nicht nur ein einziges Programm, sondern ein digitales Ökosystem, in dem man Daten austauschen kann auf dem Bauernhof.
  • Jedes Jahr geht auf der ganzen Welt ein bisschen vom fruchtbaren Boden verloren, bis irgendwann gar nichts mehr da ist. Das Umdenken in der Landwirtschaft ist das einzige, was es ermöglicht, dass wir die Welt langfristig ernähren kann. Man kann nicht einfach die alten Prozesse digitalisieren oder automatisieren. Ein schlechtes System kann man nicht optimieren.
  • Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Landwirtschaft in der Schweiz industrialisiert, und wir sehen heute die Nachteile davon. Es braucht ein grundlegendes Umdenken. Im Treibhaus kann man alles kontrollieren, aber nicht im Freiland in der Natur. Wir müssen unser ganzes System neu aufsetzen.
  • Es gibt so viele Sachen in der Natur, die funktionieren und wirken, doch wir wissen nicht genau, warum.
  • Auf Social Media darf man das Einzelfeedback nicht zu sehr beachten, sonst bekommt man Depressionen. Wenn bestimmte Kritik immer wieder kommt, dann sollte man es ansehen. Doch wenn man selbst zu aktiv auf Social Media ist, verliert man den Blick für die reale Welt, die Leute verhalten sich anders digital als in der Wirklichkeit.
  • Die Zeit der Werbeföteli und Werbefilmli ist vorbei in der Landwirtschaft. Man muss glaubwürdig sein, zum Beispiel mit einem Livestream direkt in den Stall.
  • Es muss etwas entstehen, um die Glaubwürdigkeit von Social Media wiederherzustellen. Es wird ein Gegentrend kommen, denn auch ein Video kann man heute faken. Live vor Ort, das Phsysische, wird wieder wichtiger werden.
  • Investieren in neue Technologien und IT, das ist fast wichtiger als ein neuer grosser Traktor. Vielleicht machen zehn batteriebetriebene Maschinen in Zukunft die Arbeit von einem grossen Traktor. Wir können auf unserem Hof selbst Strom erzeugen, und so schliesst sich der Kreislauf.
  • Veränderungen machen Angst. Auf kurzfristige Bedrohungen reagieren wir sofort, aber wenn es zwanzig Jahre in der Zukunft liegt, dann machen wir nichts, wie beispielsweise beim Klimaschutz. Man sollte endlich vorwärts machen, ohne Angst zu haben.
  • Veränderungen sind exponentiell, nicht linear. Es wird ganz plötzlich grosse Veränderungen geben, zum Beispiel wird schon bald keiner mehr ein normales Auto kaufen, sondern nur noch Elektroautos. Doch es gibt extrem starke Lobbies, die alles daran setzen, dass sich nichts verändert.
  • Die Politik der falsche Weg, wenn man schnell etwas verändern will. Politiker denken nur in einem Zeithorizont von vier Jahren bis zur nächsten Wahl, doch unser Horizont ist zwanzig Jahre und mehr. Kein Politiker interessiert sich dafür, was genau in zehn Jahren ist, weil sie oder er dann vielleicht gar nicht mehr im Amt ist.
  • Die Unternehmer müssen die Zukunft gestalten, nicht die Politiker. Es waren schon immer die Unternehmer, die die Gesellschaft verändert haben, die Politik muss vorallem Rahmenbedingungen schaffen.
  • Mein Wunsch ist, dass man Veränderungen mit weniger Angst begegnet. Man sollte nicht immer Angst haben, etwas zu verlieren.
  • Work-Life-Balance kenne ich keine, solange ich an meinem höheren Ziel arbeiten kann, dann bin ich zufrieden, auch wenn ich hundert Stunden pro Woche arbeite.