Deep Technology Podcast Michelle Reichelt Klimaaktivistin

Michelle Reichelt ist Vollzeitaktivistin beim Klimastreik. Sie spricht über die Vielschichtigkeit der Klimakrise, was neue Technologien und Innovation mit dem Klima zu tun haben, warum wir oft zu kurzfristig denken, und was sie sich wünscht für die Zukunft.

Die Digitale Gesellschaft setzt die neuen Episoden jeweils in Kontext mit digitalen Entwicklungen in der Schweizer Politik. Artikel zu jeder neuen Episode kannst du hier lesen: www.digitale-gesellschaft.ch/tag/deep-technology-podcast

Die Newsplattform Nau.ch bereitet die Episoden als Artikel auf. Diese kannst du hier lesen: www.nau.ch/lifestyle/deep-technology-podcast

Kernaussagen dieser Episode

  • Das Klima ist ein übergeordnetes Thema, das viele andere Themenbereiche zusammenfasst. Warum haben wir so einen hohen Ausstoss von Treibhausgasen? Weil der Kapitalismus endloses Wachstum vorgaukelt. Auf den ersten Blick sieht es so aus, dass man einfach nicht mehr fliegen oder autofahren soll. Doch warum fahren Leute so viel Auto? Weil sie auf dem Land wohnen, weil der Wohnraum in der Stadt so teuer ist. Es gibt viele soziale Geflechte und Probleme, die man nicht von heute auf morgen lösen kann.
  • Die Klimaforschung sagt ganz klar, dass wir auf einen Abgrund zurasen. Wir haben bereits Kipppunkte erreicht, die nicht mehr umkehrbar sind und andere, die wir noch gar nicht genau abschätzen können. Wenn wir so weitermachen, geht es nicht mehr lange gut. Dass es schlimm wird, kann man jetzt schon sagen.
  • Effizienz finde ich ein schlimmes Wort, es ist der Ingebriff des Spätkapitalismus. Der Velokurier ist nicht mehr schnell genug, man braucht auch noch eine Lieferdrohne, die Lärm produziert und Daten aufnimmt. Ich sehe schon, dass eine Steigerung möglich ist, doch brauchen wir das?
  • Der Kapitalismus lebt davon, dass wir unsere Werte verraten für kurzfristige Gewinne. Wir sind umgeben von einer Art Kaltblütigkeit, und das führt zu einem Werteverlust in der Gesellschaft.
  • Ich dachte auch einmal, dass es cool wäre, wenn es eine Technologie gibt, die CO2 aus der Luft saugt und im Boden vergräbt, doch das würde unser Problem mit dem Klima null lösen. Es ist nur Symptombekämpfung. Die Wurzel des Problems ist unser kapitalistisches Wirtschaftssystem.
  • Menschen sind immer noch viel kreativer als jegliche Maschinen oder künstliche Intelligenz. Wir wären auch gar nicht bereit, auf eine Maschine zu hören. Jetzt misstrauen wir ja sogar wissenschaftlichen Daten und zweifeln sie an. Wie sollen wir da auf eine künstliche Intelligenz hören, die uns Lösungen vorschlägt?
  • Ich finde es absurd, dass zum Beispiel Eletkroautos die Revolution für den Strassenverkehr sein sollen. Man sollte mehr nachdenken, als einfach die erstbeste Lösung zu nehmen. Anstatt den Verkehr zu verbessern, sollten wir uns fragen, brauchen wir den Verkehr überhaupt?
  • Es ist doch seltsam, wenn man sagt, dass man die erste Version einer neuen Technologie nicht kaufen soll, weil sie noch Bugs hat. Warum? Man sollte doch lieber etwas auf den Markt bringen, das schon durchdacht ist und funktioniert. Man braucht nicht jedes Jahr ein neues Gerät, alle zehn Jahre reicht ja auch.
  • Es ist nicht mehr fünf nach zwölf sondern schon lange halb eins, und wir haben es immer noch nicht gecheckt. Die Auswirkungen der Klimakrise sind da, in anderen Ländern viel mehr als in der Schweiz. Doch wir sind immer noch mehr am neuen iPhone interessiert, als an der Klimakrise.
  • In der Coronapandemie haben die Leute erkannt, wie schlecht es ihnen eigentlich geht im Leben. Viele Leute merken, wie einsam sie sind. Wenn man jeden Tag zur Arbeit geht, dann hat man seine Freunde und kann sich ablenken. In der Pandemie musste man zuhause bleiben, und viele haben gemerkt, dass sie gar nicht glücklich sind.
  • Es ist schwierig, nicht einfach der Politik die Verantwortung für das Klima zuzuschieben. Viele Menschen fühlen sich auch machtlos, das verhindert ein genaues Hinschauen. Doch jeder muss sich selbst Gedanken machen, wie sie oder er leben will. Man darf nicht so tun, als sei man Opfer des Systems. Es braucht Eigenverantwortung.
  • Es braucht eine kritische Masse, um Machtverhältnisse zu kippen. Es kommt auf jede Person an. Alle sollten sich wirklich überlegen, ob sie 100 Prozent irgendwo arbeiten müssen oder ob sie sich auch einen halben Tag pro Woche für etwas engagieren können. Die Leute müssen Verantwortung übernehmen als Teil der Gesellschaft.
  • Ich finde es problematisch, wenn Politiker*innen sagen, dass Politik mehrheitsfähig sein muss und dass es wichtig ist, dass man zusammen nach Feierabend noch ein Bierli trinken gehen kann. Ich verstehe nicht, dass Politiker*innen bei der erstbesten Kompromissfindung ihre Werte über Bord werfen. Die Politiker*innen verdienen ihr Geld damit, dass sie Politik machen, und nicht damit, dass sie zusammen Bierli trinken gehen können am Abend. So eine Politik finde ich enttäuschend und nicht unterstützenswert.
  • Ich wünsche mir, dass wir mehr Zeit miteinander haben, dass wir uns mehr Zeit nehmen, einander zu verstehen, dass wir uns Zeit nehmen, Gemeinschaften aufzubauen. Natürlich wünsche ich mir auch den Ausstieg aus den fossilen Energien, aber ich glaube, wenn wir uns füreinander mehr Zeit nehmen, dann haben wir auch gar keine Zeit mehr, die Erde kaputtzumachen und auszubeuten.